Münster Babelsberg

SC Preußen Münster - SV Babelsberg 03 2:3


Münster, Juni 2001. Mittlerweile ist es Juni, und ganz Deutschland genießt die fußballfreie Sommerpause (mal abgesehen von den paar Relegationsspielen im Amateurbereich und dem Gekicke der Nationalmannschaft). Ganz Deutschland? Fast, denn die Dritte Liga Nord spielt unbeirrt weiter. Und im Gegensatz zu ihren Kollegen aus dem Süden, von denen es allenfalls Karlsruhe verdient hatte, in die Zweitklassigkeit aufzusteigen, sind die Nordlichter in dieser Saison die attraktivere Klasse gewesen.

Am vorletzten Spieltag stand unter anderem die Partie des Tabellendritten SC Preußen Münster gegen den Zweiten SV Babelsberg 03 auf dem Programm. Die Westfalen spielten bereits ihr letztes Spiel (eine Folge des 19er Feldes) und mußten auf jeden Fall gewinnen, um die Chance zu wahren, bei Ausrutschern der Konkurrenz in der darauffolgenden Woche doch noch in die Zweite Liga aufzusteigen. Den Potsdamern hingegen genügte ein Punkt, da sie dann am letzten Spieltag zuhause aus eigener Kraft das große Ziel erreichen könnten; bei einem entsprechenden Ergebnis der Kölner (im Fortunen-Derby gegen Düsseldorf) wäre aber auch an diesem Tag schon der Aufstieg machbar gewesen. Eine wahrliche interessante Ausgangslage!

Schon bald nach Spielbeginn sah man seine Einschätzung der Nordliga bestätigt. Die Münsteraner wollten ihre kleine Chance nutzen und zeigten entsprechenden Einsatzwillen, während die Babelsberger wunderbaren Kombinationsfußball boten (liegt dies an der Vergangenheit des Trainers bei Spartak Moskau?), so daß die Gefahr eines langweiligen Fußballnachmittags schnell gebannt war.

Glaubte man bisher, im Osten seien bis auf Union überall nur Glatzen und sonstige Dumpfbacken im Stadion zu finden, wurde dieses Vorurteil erfreulicherweise ein zweites Mal widerlegt. Vielmehr war die gesamte Breite an Fußballfans vertreten, bin hin zu Anhängern, die einen Schal "Commandante Che Guevara" bei sich hatten, die entsprechende Fahne schwenkten und Rotfront(?)-Lieder sangen. Seltsam mutete nur der kurze Disput über solche politischen Äußerungen im Stadion an: Entstand der Diskussionsbedarf wirklich erst am 37. Spieltag, oder handelt es sich hierbei um ein allwöchentlich stattfindendes Ritual? Als OFC-Fan würde man eher auf die zweite Erklärung tippen...

Die Vernunft der Babelsberger Anhänger ließ sich auch nach dem Führungstreffer der Gastgeber nicht vertreiben, und selbst als ein paar nicht ernstzunehmende Preußenfans (kurze Haare und eine entsprechende Grimasse machen noch lang keinen Hooligan aus) versuchten zu provozieren, blieb man ruhig und wartete lieber, bis zehn Minuten später, kurz vor der Pause, der verdiente Ausgleich fiel. Ja, da war er, der Punkt, den man sich so sehnlich wünschte!

Nach Wiederanpfiff hatte der SVB seine stärkste Phase, kombinierte sicher und brachte ein ums andere Mal die Preußen in Verlegenheit. Doch plötzlich begann ein Münsteraner zu wanken, fiel auf den Boden und blieb dort liegen. Er mußte ärztlich behandelt werden, bekam Infusionen, und wurde nach zehn Minuten vom Feld getragen (wie man später erfuhr, ist er Diabetiker und erlitt einen Zuckerschock). Zwar ist es mittlerweile fast überall üblich, daß in solch einem Fall auch die gegnerischen Fans Applaus spenden, bemerkenswert aber ist es, daß es unter den etwa 600 Babelsbergern (bei insgesamt 7500 Zuschauer) keinen einzigen Idioten gab, der sich zu irgendwelchen Beleidigungen hinreißen ließ. Da hat man auch schon andere Szenen erlebt...

Leider war durch diese Unterbrechung der Schwung weg, und es waren nun die Gastgeber, die wieder mehr ins Spiel kamen und die nach etlichen Versuchen die erneute Führung erzielten. Abermals fingen sich die 03er, spielten konzentriert weiter und kamen gegen Ende der regulären Spielzeit nach einem sehenswerten Heber über den Torwart zum immer noch verdienten Ausgleich. Da war er schon wieder, dieser eine Punkt, den man bereits vor dem Spiel und nach der Pause hatte, und den man auf jeden Fall hier mitnehmen wollte.

Zunächst galt es aber noch, die Nachspielzeit, von der aufgrund der Verletzungspause niemand wußte, wie lange sie dauern wird, unbeschadet zu überstehen. Münster gab nicht auf, Babelsberg hielt dagegen, und auf einmal - es war wohl die vierzehnte(!) Nachspielminute - gab's einen Entlastungsangriff von Babelsberg, Schuß, Innenpfosten, Tor, 3:2 für die Gäste. Kurz danach der Schlußpfiff, unglaublich, nicht nur einen Punkt geholt, sondern sogar das Spiel gewonnen. Da konnte auch das Ergebnis von Fortuna Köln (2:1), das die Entscheidung über den Aufstieg auf die nächste Woche vertagte, die Stimmung nicht mehr vermießen.

Nach den gezeigten Leistungen muß man zu dem Schluß kommen, daß eigentlich beide Mannschaften eine Bereicherung für die Zweite Liga darstellen würden; wobei es Babelsberg zu wünschen ist, dieses Jahr aufzusteigen, denn ob sich diese Chance so schnell wieder ergibt, steht in den Sternen, siehe Pfullendorf im Süden: erst Aufstiegsrelegation erreicht, danach Abstieg in die Oberliga. Und was die Attraktivität der Liga infolge mutmaßlich "traditionsarmer" Vereine wie Babelsberg angeht, besteht keineswegs Anlaß zur Sorge, zumal wenn so schöner Fußball geboten wird wie beim Gastspiel in Münster. Außerdem darf man sich fast sicher sein, daß das Derby gegen den FC Union mehr Zuschauer ins Stadion lockt als ein trostloses Montagsspiel zwischen Duisburg und Oberhausen; aber ob die bei DSF das auch so sehen?

Photos: Preußenstadion


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