Kino: Tagebuch 2007



 FilmRegisseur KinoNoteKommentar
Januar Vitus Fredi M. Murer Traumstern 8 In der Tradition des Neujahrfilms gibt es sogar Platz für Familienpathos - und genügend Gesellschaftskritik war auch vorhanden
Die Quereinsteigerinnen Rainer Knepperges, Christian Mrasek KoKi Weiterstadt 8 Als man nach zwanzig Minuten bemerkte, wie oft man schon gelacht hatte, wurde klar, daß dieser absolut schlechte Film einfach nur gut war.
Easy Rider (OmU) Dennis Hopper Caligari 7 Uneingeschränkte Freiheit? Ja, sicher, mit dem Moped durch die USA zu fahren, ist schön, gegen gesellschaftliche Zwänge zu verstoßen auch, aber warum sich dann den freien Willen von Drogen nehmen lassen? Ich versteh' die Spät-60er nicht...
Citizen Kane (OmU) Orson Welles Karlstorkino 8 Und was ist mein Rosebud? Oder ist's ein Wer? Oder gar mehrere?
Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler Dani Levy Traumstern 8 Daß man nicht über alles lachen konnte, macht den Film nicht schlechter - denn schließlich war Herr H. ja nicht nur lächerlich, sondern auch grotesk und absurd.
Madeinusa (OmU) Claudia Llosa Cinema Quadrat 7 War Madeinusas Verrat nur den Zufälligkeiten des Augenblicks geschuldet, oder war es ihre bewußte Entscheidung? Ich kann's nicht auflösen, egal, wie lange ich noch darüber nachdenke...
Spiel mir das Lied vom Tod Sergio Leone Passage 10 Endlich bemerkt: Jeder der drei Guten hat seine eigene, nicht mehr aus dem Kopf gehende Filmmusik - und nicht zu vergessen: Das Windrad!
Lichter der Vorstadt (OmU) Aki Kaurismäki Mal seh'n 9 Wenn Koistinen sein Leben einfach nur erträgt und er erst im Gefängnis landen muß, um einmal sich freuen zu können, wird deutlich, wie sehr die sich sozial glaubende Gesellschaft versagt hat. Und wo es keine Heilsarmee mehr gibt, liegt die Verantwortung bei jedem Einzelnen.
Komm, süßer Tod Wolfgang Murnberger Karlstorkino 9 Das Wienerisch konnte man dank der Untertitel bestens verstehen, nicht aber die Details der verzwickten Kriminalgeschichte - ein Grund mehr, den Film irgendwann wieder zu sehen. Oder das Buch zu lesen.
Februar Die Strategie der Schnecke (OmU) Sergio Cabrera Caligari 6 Wieso konnten nach der sozialromantischen Lehrstunde mit Karl Marx nur die anderen Kinobesucher Beifall klatschen? Fehlende Phantasie? Fehlender Leidensdruck? Fehlende Prekariatserfahrungen?
Unser täglich Brot Nikolaus Geyrhalter Passage 9 Kathedralen der Technik, Fließbänder, Maschinen - und Menschen, die den Maschinen untertan sind, damit tierisches und pflanzliches Leben zu Nahrung verarbeitet werden kann. Keine Klage, sondern eine Erinnerung, wenn man im nächsten Sommer selbst einen Apfel vom Baum pflückt.
Fahrenheit 451 François Truffaut KoKi Weiterstadt 7 Im direkten Vergleich fehlte dem 40 Jahre alten Film die Detailliertheit der Buchvorlage und die Modernität des Theaterstücks - wie wär's mit einer Neuverfilmung?
Die Augen der Mumie Ma Ernst Lubitsch Caligari 8 Wie schlimm muß das Ma und Radu verbindende Geheimnis sein, wenn es uns der Regisseur trotz all der aufgebauten Spannung am Ende nicht verraten will?
Wie ich den Krieg gewann Richard Lester 5 Ein sinnentleerter Film über die Sinnlosigkeit des Kriegs? Oder nur fehlender Sinn für englischen Humor?
Paris, je t'aime diverse Traumstern 8 ... et les meilleurs court-métrages, par ordre chronologique: Quais de Seine (inchallah), Tuileries (la femme fatale), Tour Eiffel (sans mots), Faubourg Saint-Denis (les quatre saisons)
März Full Metal Village Sung Hyung Cho Caligari 9 Ein Hauch von Kickers in Haiger - mit dem Unterschied, daß Gäste willkommen sind: Freu Dich, Du bist in Wacken.
Kurische Nehrung (OmU) Volker Koepp 7 Gerne hätte man mehr erfahren von der Lebensphilosophie des Filmvorführers oder den Zukunftserwartungen der jungen Frau im Bernsteinmuseum - und nicht nur, wie es früher einmal war
Sein und Haben (OmU) Nicolas Philibert Traumstern 9 Grundschullehrer, Kindergärtner, Seelsorger, Streitschlichter, Autoritätsperson, Freund: Aus reiner Menschlichkeit - wen interessieren da noch KMK, Schulbehörde und Lehrpläne?
La Vie en rose Olivier Dahan Passage 9 In ihrer Verbitterung über das Leben erinnert Edith an Dürrenmatts alte Dame - « Je ne regrette rien. » Wirklich?
Congo River (OmU) Thierry Michel KoKi Weiterstadt 8 Wunderte man sich zunächst noch über die Fröhlichkeit der Menschen auf dem Fluß, zeigte sich jenseits der Stromschnellen das traurige Bild Afrikas: Gewalt, Rechtlosigkeit, Flucht und Angst.
Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten Woody Allen Karlstorkino 6 ... wenigstens gab's am Ende noch einen Höhepunkt
Vier Minuten Chris Kraus Passage 8 Die Botschaft, daß man niemanden vorschreiben soll, wie er sein Gefühle zum Ausdruck bringen darf, wäre deutlich beeindruckender, wenn das Ende des Films nicht so unglaubwürdig theatralisch inszeniert gewesen wäre
Das Schnitzelparadies (OmU) Martin Koolhoven Mal seh'n 7 Zu viel Verliebt-Sein-Romantik für Vierzehnjährige - in einer Komödie will man lachen, so wie einst in Vuks Küche
Die Geisel (OmU) Laila Pakalnina goEast, Caligari 7 Das Leben ist in ständiger Bewegung, und in der Welt hängt alles mit allem irgendwie zusammen: Mit den Stilmitteln des Films ausgedrückt durch Kamera und Schnitt. In Anlehnung ans Theater könnte man von absurdem Kino sprechen.
April 186 Kilometer (OmeU) Andres Maimik, Rain Tolk goEast, Alpha 7 Wenn man schon orientierungslos durchs Leben stapft, sollte man es wenigstens zu Fuß tun: So bleibt genügend Zeit, um sich mit den unterschiedlichsten Menschentypen zu befassen
Die Fälscher Stefan Ruzowitzky Passage 7 Auch wenn Sophie Scholl sich anders entschieden hätte: Wenn dem Menschen nichts mehr bleibt als der Wille zum Überleben, kann man es ihm dann vorwerfen, wenn er nur noch an sich denkt?
Im übrigen hätte es dem Film nicht geschadet, wenn er in Schwarz-Weiß gedreht worden und doppelt so lang gewesen wäre.
Sie sind ein schöner Mann (OmU) Isabelle Mergault Filmforum 8 An einem schlechten Tag hätte man den Film kitschig gefunden. Aber vielleicht lag es ja wirklich an der französischen Originalversion, daß man nach dem traurig-frohen Ende den Kinobesuch nicht bereute?
Mai M - Eine Stadt sucht einen Mörder Fritz Lang Caligari 8 Schade, daß die alten Filme noch keinen Abspann haben: Nach dem aufreibenden Diskurs über Verantwortung und Gerechtigkeit wird man einfach wieder ins harte Leben zurückgeworfen, ohne jene zwei, drei Minuten zur geistigen Verdauung nutzen zu können
Die Spinnen - 1. Teil: Der goldene See 8 Das spannende Abenteuer, die Welt und ihre Geheimnisse zu entdecken - oder: wie man sich von neunzig Jahren das Volk der Inka vorstellte. Aber wieso auf 75 Grad nördlicher Breite?
Die Spinnen - 2. Teil: Das Brillantenschiff 6 Zu vieles blieb unerklärt (Wieso, weshalb, warum?), und das Ende war enttäuschend simpel. Na gut, auch ein Fritz Lang kann ja nicht nur gute Filme drehen...
August Spiel mir das Lied vom Tod Sergio Leone OAK Marburg 10 Bevor dieser Nur-im-April-Sommer zu Ende ist: Einmal noch ins Openairkino - selbst wenn man eigentlich zu müde war.
September Saint Jacques... Pilgern auf Französisch Coline Serreau Passage 8 Pilgern macht Spaß... aber vielleicht doch eher nach Inari und mit dem eigenen Auto - Abstecher zum Koli inklusive. Hyvää matkaa!
November Das Reichsorchester Enrique Sánchez Lansch Caligari 8 Am Ende war man auch als Zuschauer überzeugt, daß die meisten der Musiker nur der Kunst und nicht der Ideologie dienen wollten - und wunderte sich nur noch, wie absurd Goebbels & Co. das Orchester für ihre Propaganda benutzten.
Down by Law (OmU) Jim Jarmusch 8 Es fehlt zwar die Musik von Dead Man, und zur Handlung wird man erst beim zweiten Sehen einen Zugang finden, aber dafür sind die Schwarz-Weiß-Bilder in all ihren Perspektiven und mit ihren Schattenspielen wahre Meisterwerke
Immer nie am Meer Antonin Svoboda Passage 8 Steckt in jedem von uns ein kleiner Sadist? War man durch kindliche Unschuld verführt? Oder war es jene Schadenfreude, die man verspürt, wenn jemand Unsympathisches auf der Autobahn geblitzt wird?
Auf der anderen Seite Fatih Akin Filmforum 9 Warum muß immer erst ein tragisches Ereignis geschehen, damit man seinem Leben einen neuen Impuls gibt? Warum nicht den nächsten Tag zum Anlaß nehmen? Oder den nächsten Augenblick? Bequem ist der Mensch, müßig und faul...
Heimatklänge (OmU) Stefan Schwietert KoKi Weiterstadt 7 Jodeln als (internationale) Kunstform jenseits des Kitschs: Also, Huun-Huur-Tu und Ihr Schweizer, wie wär's mal mit einem Auftritt im Colossal oder in der Centralstation?
Cannes Rolle 2007 (OmeU) diverse Caligari 6 Originellste Idee: Das batteriebetriebene Flugzeug - Größter Lacher: Volkswagen und die Horrorfilme - Am besten bedientes Vorurteil: PC vs Mac - Beste künstlerische Darstellung: Die Schwarz-Weiß-Animationen von amnesty
Dezember Persepolis Marjane Satrapi, Vincent Paronnaud Passage 10 Kann man noch an die Darstellungsfähigkeit und Aussagekraft realer Bilder glauben? Oder: Warum sind die Kunstwerke von Malern berühmter als jene von Photographen?
Zusammen ist man weniger allein Claude Berri KoKi Weiterstadt 3 Zu der Dämlichkeit der Handlung kam die Dümmlichkeit der Dialoge - da hätte selbst die französische Originalfassung nicht geholfen
Phantom Friedrich Wilhelm Murnau Caligari 9 In Anlehnung an einen der depressivsten Kaurismäki-Filme hätte der Titel auch "Der Junge aus der Stadtschreiberei" lauten können
Numd sjarda (OmU) Anastasia Lapsui, Markku Lehmuskallio Filmmuseum 8 Was im irdischen Reich des Gottes Num nicht aus Holz oder Stroh ist, stammt vom Rentier: Zelte, Bekleidung, Bettdecken
Tuyas Hochzeit (OmU) Wang Quan'an Filmforum 7 Anders als am Vortag vermochten die Bilder aus der fremden Kultur nicht die Einfachheit der Erzählung auszugleichen. Machte sich da etwa die Abneigung gegen den in China herrschenden Kapitalismus bemerkbar?
Free Rainer - Dein Fernseher lügt Hans Weingartner Valentin 5 Visionen und Utopien haben zurecht ihren Platz im Kino, aber bitte nicht derart naiv, unglaubwürdig und oberflächlich - möge uns eine Fortsetzung "Deutschland kauft jetzt bio" erspart bleiben!


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